Idee ist sympathisch, weil verrückt

Veröffentlicht am 29.01.2018 in Allgemein

Dr. Wolfgang Storz erklärt

SPD Zollernalb diskutiert über die Konzepte zum bedingungslosen Grundeinkommen

Jeden Monat 1000 € bar auf die Hand, ohne dafür etwas zu tun – was ist das? Dieser Frage ging die SPD Zollernalb am vergangenen Montag nach. Auf Einladung der Projektgruppe „Soziale Gerechtigkeit“ des SPD-Kreisverbands Zollernalb referierte Dr. Wolfgang Storz, ehemaliger Chefredakteur der Frankfurter Rundschau und langjähriger Juso in Balingen, zum Thema Bedingungsloses Grundeinkommen im Zollernschloss.

Klaus Fütterer, Vorsitzender der Projektgruppe „Soziale Gerechtigkeit“, führte in das Thema des bedingungslosen Grundeinkommens ein, in dem er die aktuellen Leistungen des heutigen Sozialstaates verdeutlichte. So bekam 2016 ein Erwachsener in Balingen 864 Euro. „Wobei er diese Leistung keinesfalls bedingungslos bekommt. Er muss in einem bürokratischen Akt seine Bedürftigkeit nachweisen“, erklärte Fütterer das Sozialsystem. Das bringe eine ganze Reihe von Problemen mit sich, so Fütterer, der damit das Wort an den Gastredner Wolfgang Storz weitergab.

Mit der Frage, warum das bedingungslose Grundeinkommen inzwischen so attraktiv sei, begann Storz seinen Vortrag. Das liege vor allem an der Prekarisierung des Arbeitsmarktes zum Beispiel durch Befristungen. Aber auch zunehmend riskante Übergänge wie zwischen Ausbildung und Beruf oder Beruf und der Pflege eines Angehörigen und die zunehmende Robotisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt würden das Thema Grundeinkommen stärker in den Fokus rücken. Das sei bemerkenswert, denn „diese Idee ist zwar sympathisch, gilt aber als völlig verrückt“, so Storz. Sympathisch, weil mit einem politischen Beschluss und wenig Aufwand den Alltag der Bürger revolutioniert könne. Verrückt, weil das bedingungslose Grundeinkommen als unfinanzierbar gelte und weil es noch so viele ungeklärte Fragen gibt, im Bezug auf die Rente beispielsweise. „Es würde außerdem einen Bruch mit dem wirtschaftlich-kulturellen Konsens bedeuten. Denn viele sind der Meinung, dass das bedingungslose Grundeinkommen den Arbeitsethos brechen würde: Es mindere den Wert der Erwerbsarbeit, des Wohlstandes und des Wachstums.“

Storz stellte die unterschiedlichen Konzepte des Grundeinkommens vor. Von der „marktradikalen Variante“, die viele Wirtschaftsbosse propagieren würden über die „anthroposophisch-grüne“ und die damit verwandte „links-emanzipativen Variante“ bis hin zur „harmlos-pragmatischen-sozialdemokratischen Variante“ führte Storz die verschiedenen Ausprägungen der Grundidee des bedingungslosen Grundeinkommens aus. „Zusätzlich wird häufig noch über Varianten der Grundsicherung gesprochen, die meistens nicht bedingungslos sind. Hartz IV zum Beispiel ist ein Grundeinkommen, das mit vielen Bedingungen und Sanktionen verknüpft ist.“

Das Prinzip des bedingungslosen Grundeinkommens sei recht einfach, so Storz. Jeder erhalte ein Grundeinkommen, ohne Bedürftigkeit nachweisen zu müssen oder eine Gegenleistung zu erbringen. Das sei aber auch schon der Knackpunkt. Denn dieser Ansatz sei ein „Bruch mit dem System der Lohnarbeit, mit dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung auf dem der deutsche Sozialstaat ruht“, führte der Journalist aus. In einem Rechenbeispiel verdeutlicht Storz wie in den meisten Modellen das Grundeinkommen mit Einkommen bzw. Rente und Steuern verrechnet werden. „Das würde eine starke Förderung der geringen Einkommen bedeuten. Je mehr jemand verdiene, desto unbedeutender sei das bedingungslose Grundeinkommen“, erklärte Wolfgang Storz das Prinzip.

Welche Folgen das habe? Endlich gäbe es eine Bezahlung für jegliche Arbeit. Auch Erziehung, Pflege und Engagement im Ehrenamt würden laut Storz damit Anerkennung finden. Und man könne Nein sagen zu schlechten Jobs. Unternehmen seien somit gezwungen sinnvolle und gute Arbeit anzubieten. Zudem bringe das Grundeinkommen die Sicherheit eines materiellen Fundaments, „ein rares Gut in Zeiten des Prekären.“ Durch die Macht und die Sicherheit hätten die Menschen deutlich mehr Freiheit.

Doch auch mit den Kritikern beschäftigte sich Wolfgang Storz in seinem Vortrag. So sei die Gefahr, dass Unternehmer das bedingungslose Grundeinkommen zum Drücken der Löhne nutzen könnten nicht von der Hand zu weisen. Auch auf die drohende Zerstörung des Sozialstaates wies er hin. „Die Kritiker befürchten zudem, dass die Menschen mit einem bedingungslosen Grundeinkommen von der aktuellen Kassenlage des Staates abhängig sind und ihm somit ausgeliefert werden.“ Trotzdem ist sich der Sozialwissenschaftler sicher, dass man den meisten Kritikpunkten mit Mindestlöhnen und Tarifbindung sowie einer starken, modernen öffentlichen Infrastruktur mit Sozialwohnungen, gutem öffentlichem Nahverkehr, Kinderbetreuung und Kulturangeboten entgegentreten könne. Doch die Frage der Finanzierung sei zentral. „In Deutschland müssten bei einem bedingungslosen Grundeinkommen von 1000 Euro etwa eine Billionen Euro aufgebracht werden“, verdeutlichte Storz die Größenordnung. Das sei die Summe aller Sozialausgaben in Deutschland. Mit inbegriffen: Transferzahlungen, Ausgaben für Krankenhäuser, Renten, Pensionen etc. „Es gibt noch keine überzeugende Finanzierung für das bedingungslose Grundeinkommen“, so Storz. Zudem gäbe es noch weitere ungeklärte Fragen wie beispielsweise wer das bedingungslose Grundeinkommen bekommen soll oder nach der Sogwirkung auf Bürger anderer Staaten, die kein bedingungsloses Grundeinkommen haben. Ist es gerecht, dass jemand der sein Leben in München finanzieren muss genauso viel Grundeinkommen bekommt wie jemand der in Brandenburg wohnt? Wer entscheidet, ob das bedingungslose Grundeinkommen der Inflation angepasst wird? Bleiben die Sozialversicherungssysteme wie Rente und Krankenversicherung erhalten? Wie wird das Rentensystem finanziert? Storz stellte auch die Frage nach Alternativen in den Raum wie eine hohe Grundsicherung für Bedürftige verknüpft mit einem deutlich höheren Mindestlohn.

Schlussendlich sei die Debatte über das bedingungslose Grundeinkommen „auch eine Debatte über das Bild, dass wir uns von den Menschen machen“, schloss Storz. Es sei die Frage, ob die Menschen arbeiten oder faulenzen wollen. Ist jede Arbeit gleich viel Wert? Und werden die kommenden Generationen unseren Arbeitsethos verlernen?

Fazit der anschließenden Diskussion der Genossinnen und Genossen im gut besuchten Zollernschloss war, dass es derzeit noch kein definitiv ausgereiftes Konzept gäbe, die Grundidee aber wichtig sei und zukünftig in die richtige Richtung führe.

 

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